Dorfgeschichten
Daheim in Winklern
Aufgewachsen als Bauernkind in einem kleinen Dorf, mitten in der Natur, nahe Klagenfurt, erlebte ich in den ersten Jahren meiner Kindheit, den Himmel auf Erden. Ja, das trifft es wirklich! Alles schien uns Dorfkindern zu gehören.
Der Wald, in dem wir Indianerlager bauten und nach Schwarzbeeren suchten.
Der große Obstgarten, in dem unter all den alten Apfelbäumen (Poner, Klaräpfel ... manch andere Sorten so groß, dass ich sie mit beiden Händen halten musste um hineinbeißen zu können. Und erst ihr Duft und Geschmack! Einzigartig!!!) der uralte "Affenbaum" stand, bei dem ein Ast bis zum Boden reichte, sodass ich ihn wie eine Wippe benutzen konnte. Die größeren Kinder balancierten daran hoch bis zum Stamm, um dann rittlings auf einem starken Ast, der waagrecht vom Stamm abstand, Platz zu nehmen und dort genüsslich schmatzend dessen Äpfel zu verzehren.
Die Wiesen, mit ihrem blassfliederfarbenen Wiesenschaumkraut, dem Sauerampfer, dem Hahnenfuß, den Knopfblumen, den Margariten und Gänseblümchen..., Einmal gab es Hochwasser und da stand unsere moorige Nasswiese unter Wasser. Willi, der Erfinder und älteste unter uns Dorfkindern, baute ganz euphorisch ein Floß , bestückte es mit alten, ausgedienten Weißblech(öl)büchsen, um in der ersten Sekunde nach dem Betreten des Floßes, gleich unterzugehen. Da blieb mir, als eine der Jüngeren, nur das Umsteigen auf die alte ausgediente Blechbadewanne, die schon einen Henkel verloren hatte. Und ich versichere dir, ein Gondoliere kann sich nicht besser fühlen, als ich damals!
Die Äcker, von denen wir Dorfkinder Anfang Herbst die Rüben holten und genüsslich verzehrten, nicht ohne vorher auf den Hochsitz zu steigen und nach dem Moos hin zu spähen, wo die Geis sich in der Dämmerung zeigte, wie mein Bruder, als junger Treiber der Jagdgesellschaft, zu berichten wusste.
Freiheit so weit unsere Kinderaugen reichten. Wir lebten in und mit der Natur. Badeten im Sommer im selbst errichteten Staudamm unseres Dorfbächleins, und flitzten im Winter mit den Schlitten und Schiern (der Schibelag bestand aus sorgfältig aufgetragenem Lack - von Stahlkanten keine Rede) die Hänge, am Rande unseres Dorfes, hinab.
Bis ... ja, bis mein Vater freiwillig aus dem Leben schied.
Damals war ich 10Jahre, mein Bruder 11 und mein kleiner Bruder, der ihn gemeinsam mit unserer Mutter an diesem schicksalhaften Tag fand, noch keine 5Jahre alt...
Jahre danach begann mein Suchen. Mein Suchen nach dem verlorenen Boden unter meinen Füßen. Nach einem Boden der so tragfähig sein sollte, dass er nicht mehr wegbrechen konnte. Es war ein Suchen nach dem „Warum“, nach dem „Sinn des Lebens“ und der „Wahrheit“ dahinter. Und diese Suche sollte Jahrzehnte dauern, aber das wusste ich damals noch nicht…
Über 40 Jahre danach, fielen mit einem Mal, wie von selbst, alle Puzzleteile an ihren richtigen Platz und es zeigte sich mir ein Bild, das ans Licht brachte was so lange im Dunklen verborgen lag.
Und während all dieser Jahre des Suchens musste ich mir selber Vater und Mutter sein. Und so suchte und fand ich Mittel und Wege mich selbst zu begleiten und zu unterstützen. Und ein „Mittel“ bzw. „Weg“ war der der Selbstbehandlung mit Schüßlersalzen.
An dieser Stelle möchte ich mich bei Fam. Susana und Thomas Feichtinger, sowie meiner Ausbildnerin Regina Schnaitter, ganz herzlich bedanken. Sie haben es ermöglicht, dass ich mir das Wissen zur Anwendung von Schüßlersalzen aneignen konnte. Mittlerweile weiß auch meine Familie diesen Segen zu schätzen und ich staune manches Mal nicht schlecht, wenn ich sehe, wie gut sie sich schon damit auskennen!
Winklern anno dazumal
Links vorne das "Jure-Haus" . Dahinter ist der Giebel unseres Stadels zu sehen,
Vis à vis (rechts davon) lugt hinter einem Stadel das Dach und einen Teil unseres Bauernhauses hervor.
Hinter dem Dorf sieht man die offenen Wiesenhänge der Raunia (das Schigelände von uns Dorfkindern)
Rechts im Foto:
Die steile, zweistufige Südabdachung der Schleppe Alm (hier wurde von den Buben so manche Schischanze gebaut...)
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Pflügen
Unsere brave Susi
Phphphph….Susi schüttelt die Mähne und ich rieche den typischen Geruch den Pferde eben so verströmen. Mit ihrem Schweif verjagt sie unaufhörlich die lästigen Fliegen und Bremsen, die ihr an Augen, Nüstern und Körper zu schaffen machen.
Vati ist gerade dabei unseren Acker zu pflügen. An seiner Nordseite vom Wald begrenzt. an seiner Ostseite liegt das mit Schilf bewachsene, moorige „Wango-Moos“ und südseitig davon liegt unser (etwas schief abfallender) Stiefelacker, dazwischen murmelt ein kleines glasklares Bächlein, an dem einige weiß leuchtende, junge Birken wachsen. Der Stiefelacker heißt so, weil er genau die Form eines Stiefels hat. Aber das kann ich in diesen jungen Jahren, sosehr ich mich auch anstrenge, einfach nicht erkennen. Ich müsste dazu wie ein Vogel von oben herunterschauen können...
Vati hat unserer braven Susi das Kommet umgelegt und den Pflug angespannt, den er jetzt kraftvoll in die Erde drückt. Auf den Holzpflug hat er zudem noch einen großen Stein gelegt. „Warum denn?“, frage ich ihn. „Damit der Pflug tiefer geht!“, meint er zu mir. Ich schaue interessiert zu. Es ist heiß und die Erde staubt. Reihe um Reihe wird gepflügt. Ruhig dahinschreitend. Pferd und Mensch im stillen Einklang. Susi weiß von alleine was zu tun ist. ruhig, beständig, verlässlich, ein erfahrenes Arbeitspferd eben, das mittlerweile schon etwas in die Jahre gekommen ist.
Hin und wieder, wenn ein großer Stein das Gespann zum Stillstand zwingt, genügt als erneute Auffordreung zum Weitermachen, nachdem Vati den Stein zur Seite geräumt hat, ein kurzes Zungenschnalzen und ein ruhiges „Kumm Susi“.
Mehr braucht es nicht.
Es hat etwas Heiliges für mich. Ich spüre so etwas Wahrhaftiges in diesem Tun. Respekt, Dankbarkeit, Liebe und Verantwortung spüre ich. Dem Tier, der Natur und den Seinen gegenüber. Das braucht keine Worte. Diese innere Haltung, die gütige und aufrichtige Art miteinander umzugehen erfüllt alles. Mensch und Tier tun ihr Bestes.
Da kommt Vati auf mich zu und fragt: „Magst aufsitzen?“ Noch bevor ich antworten kann, fühle ich mich hochgehoben und schon finde ich mich auf dem mächtigen, für mich viel zu breiten Rücken unserer Susi, wieder. Und weiter geht das Pflügen. Bei jedem Schritt den Susi macht, schwankt es unter mir sodass ich Mühe habe mich oben zu halten. Es ist ein Auf und ein Ab ein Hin und ein Her, die wogende Urkraft des Lebens. Ich weiß, sollte Susi jetzt einen Sprung machen (Bremsenstiche sind sehr schmerzhaft) dann plumpse ich zu Boden wie ein Kartoffelsack…
Jahre später verrichtete unser Vati diese Arbeit dann mit unserem kleinen Steyr Traktor. Er ist grün, tackert und lärmt, und wenn Vati, jetzt mit seiner Hilfe zwei-, später sogar dreispurig die Furchen in die Erde zieht, dann ist es anders als damals … aber es ist auch gut.
Vati pflügt mit dem neuen Steyr Traktor den Stiefelacker.
Dahinter ist das an den Wald angrenzende Feld zu sehen, von dem in dieser Geschichte die Rede ist.
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Pfingsten
Unsere Eltern (noch unverheiratet) in jungen Jahren vor der Haustüre unseres Bauernhauses
Sechs Birken steh´n vor´m Haus!
Ja, sie sind zwar etwas klein, also in jedem Fall kleiner als Vati und Mama, aber größer als ich und mein kleiner Bruder Michael, und sogar größer als mein großer Bruder Rudi, der ist immerhin ein Jahr älter als ich!
Sechs Birken steh´n vor´m Haus!
Wir laufen ausgelassen um sie herum. Pure Lebensfreude durchströmt mich.
Sechs Birken steh´n vor´m Haus!
„Pfingsten is!“, sagt Vati.
Mir ist so feierlich zumute. So besonders. Diese kleine, hellgrün leuchtende Allee weist uns den Weg hin zu unserem Hauseingang. Hin zur alten, zweiflügeligen, geschnitzten Holztüre, durch deren Glaseinsätze wir immer gleich sehen konnten wer gerade vor der Türe steht.
Sechs Birken steh´n vor´m Haus.
Und unsere Türe ist jetzt ein herrschaftliches Prunktor - und der mit großen Natursteinen belegte Weg zum Haus, ist jetzt eine Prachtpromenade - für uns Kinder.
Pfingsten is!
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Roller fahren
Auto hatten wir keines, wozu auch? Zum Arbeiten hatten wir den Traktor, zum sonntäglichen "In-die-Kirche-Fahren" unsere Fahrräder, und zum Kirchtagfahren nach Tultschnig, den Roller. Vati hatte ihn gekauft. Wir staunten nicht schlecht! Was ist denn das? Warum haben wir jetzt so etwas? Wofür braucht man das?? Fragen über Fragen...!
„Das Beste ist, wir probieren ihn einfach einmal aus!“, meinte Vati. Also alle hinauf auf den Roller! Mama macht noch schnell ein Foto und los geht die Fahrt! Vati hatte seinen Sitz ganz vorne. Direkt hinter ihm sitze ich und dann, am Gepäcksträger, Rudi. (Damit er nicht hinunterfällt hält er sich am Haltegriff fest, der eigentlich für mich bestimmt war). Mein kleiner Bruder Michael steht direkt vor Vati. „Alle gut festhalten!!“, und los geht die Fahrt! Von unserem Haus bis zur einzigen Kreuzung unseres Dorfes, dorthin wo die Dorfkapelle steht, hier machten wir eine beherzte Kurve und schon ging die Fahrt wieder zurück.
Wir Kinder waren allesamt in hellster Aufregung!! Und diese Strecke wurde noch x-Mal mit den unterschiedlichsten Fahrgästen unternommen. „Jetzt ist aber Schluss, sonst geht mir noch das Benzin aus und ich kann am Ende gar nicht fahren wenn ich den Roller wirklich einmal brauche,“ meinte Vati. So wurde er ins mittlere Kammerl unseres Hofgebäudes geschoben, mit Schwung auf seinen Ständer gestellt und die Türe sorgsam mit dem Bogenschloss verschlossen.
Einmal, wir waren schon auf dem Heimweg vom Kirchtag in Tultschnig (mein kleiner Bruder war nicht mit dabei) da durfte ich mein neu erworbenes Windrad zwischen der Lenkstange und der Handbremsen festmachen, sodass es sich im Fahrtwind wie wild drehte! Meine Freude kannte keine Grenzen! Das war ein besonderer Tag für mich, denn ich hatte nicht nur mein Festtagsgewand anziehen dürfen, sondern auch auf kindliche Weise am Tanzboden ein wenig zur Musik getanzt. Und jetzt auf der Heimfahrt, hielt ich, zum fröhlich drehenden Windrad, das Sackerl mit den Kokosbusserln in der Hand, das der Vati für die Mama und meinen kleinen Bruder Michael, die zu Hause geblieben waren, gekauft hatte.
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Die Straße vorm Haus
Tja, wie soll ich jetzt am besten anfangen? Hmmmm?! Zu der Zeit als sich diese Geschichte zutrug, hatte ich nämlich noch keine Worte für all das was ich erlebte, und dennoch blieb es mir in Erinnerung...
Der Tag war hell und warm und ich fühlte mich auf den starken Armen meines Vatis, aus unserem Haus hinaus ins Sonnenlicht getragen. Ich sah erstaunt meinen älteren Bruder auf einem, ich weiß nicht was, wild und begeistert auf der Straße herumkurven. „Geh amol oba, und loss die Doris a amol probier´n!“ höre ich Vati sagen, und schon werde ICH auf dieses Gefährt gesetzt, das ich zuvor noch nie gesehen hatte. All das trug sich auf unserer (heute würde ich sagen, kaum befahrenen und sich ein gaaaanz klein wenig neigenden) Dorfstraße zu, die direkt vor unserer Haustüre, also mitten durch unseren Bauernhof führte, sodass dadurch unser Bauernhaus von unserem Stadelgebäude getrennt war.
Das Ding war so hoch, dass meine Füße, anders als bei meinem Bruder vorhin, nicht zum Boden reichten. Dafür war direkt vor mir etwas das aussah wie die Hörner unserer Kühe und worauf gerade meine beiden kleinen Hände gelegt wurden. „So, und do tuast di schen onholten“ – höre ich Vati sagen. So kamen meine Hände, wie noch niemals zuvor, weit links und rechts von mir zu liegen. Mein Herz fühlte sich auf einmal so entblößt, und verletzlich. Und zu all dem, bewegte sich ganz plötzlich dieses Ding (durch einen winzigen Schups meines Vatis) in Richtung Straßengefälle … ich war so furchtbar erschreckt...!!
Intuitiv begriff ich, dass diese beiden … ??? … (heute würde ich sagen „Pedale“) dazu da waren um das Ding gezielt zu bewegen, denn das hatte ich ja gerade bei meinem älteren Bruder gesehen. Auch das Lenken sah bei ihm kinderleicht aus. Für mich hingegen war alles zu groß, so dass ich weder treten noch lenken konnte!!
Ich fühlte mich so ohnmächtig und begann zu weinen, da kam meine geliebte Mama, legte fürsorglich ihre Arme um mich und ich fühlte mich wieder vollkommen sicher und geborgen und spürte: "Jetzt ist alles wieder gut!"
Jahre danach sollte ich auf dieser Straße das Radfahren erlernen, mit den Dorfkindern Federball spielen, mit Vati meine erste Polka tanzen und an meinem ersten Schultag, meine neue braune Schultasche stolz zum ersten Mal auf meinem Rücken tragen...
Hier sieht man fast exakt die Stelle an der ich zum ersten Mal am Dreirad saß.
Ich muss zugeben, dass die Gefährlichkeit des Gefälles, mit den Augen eines Erwachsenen betrachtet, überschaubar ist ;-)
(Im Hintergrund das "Jure-Haus", das zu dieser Zeit als Personalhaus, für die Arbeiter der Schleppe-Brauerei, diente.)
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Erdäpfel klauben
Oktober is´ - de Erdäpfel seint zum Klauben!
Wenn der Rudi Hilfe braucht, dann ist das ganze Dorf auf den Beinen. Beim Äpfelklauben, beim Türkenfedern, beim Erdäpfelklauben… Von jedem Haus ist jemand da. Das war schon immer so, sagen die Dorfleut´, seit der Rudi (mein Vati) mit 14 Jahren den Hof übernehmen musste, weil er und seine zwei Schwestern zu diesem Zeitpunkt bereits Mutter und Vater verloren hatten.
Heute heißt es hinaus auf´s Feld und Erdäpfel klauben! Und so wird auch heuer wieder der uralte Roder aus dem verstaubten Winkel unseres Stadels hervorgeholt, an unseren kleinen Steyr Traktor angekuppelt und los geht´s, hinaus zum Mühlacker! Wenn der Erdäpfelroder im Einsatz ist dann fliegen die Erdäpfel nur so durch die Luft! Für mich sieht das aus als würden sie vom Himmel herunter regnen.
Und schon springt Vati vom Traktor um selbst tüchtig mitzuklauben. Er befüllt energiegeladen zwei Metallkörbe, sobald sie voll sind trägt er, einen in der linken, den anderen in der rechten Hand, zum Anhänger, befördert sie mit Schwung hoch und entleert sie vorsichtig am Brückenwagen. Auch geflochtene Holzkörbe und Kübel kommen heute zum Einsatz. Wir alle sind emsig bei der Arbeit. Für uns Kinder heißt es geschwind den Kübel anfüllen. Beim Tragen helfen uns allerdings die Erwachsenen, das müssen wir Kinder nicht machen. Und so werden, in froher Stimmung und gut gelaunt, immer mehr Körbe und Kübel auf den Plankenwagen geleert, sodass der Erdäpfelhaufen darauf nach und nach immer größer wird. Am Hof kommen sie dann in den alten Erdkeller unter der Scheunenauffahrt. Danach winkt allen fleißigen Helfern eine zünftige Speckjause bei uns daheim.
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Ein anderes Mal wurden wir beim Rübenernten vom Regen überrascht. Da suchten wir Kinder schleunigst Zuflucht unter dem halb beladenen Anhänger, mit dem Ergebnis, dass wir aussahen als hätten wir im Schlamm gebadet, denn der Regen schwemmte die Erde von den Rüben und dieses erdige Regenwasser lief durch die Ritzen des Wagens direkt auf unsere Köpfe ...
Du lieber Himmel, WIR sahen vielleicht aus!! Am Abend hieß es für uns Kinder dann: Ab in die große Zinnbadewanne!! Und danach sauber gewaschen ins frisch überzogene Bett.
Und einmal im Sommer war es bei der Feldarbeit so heiß, dass wir es kaum noch aushielten, bis uns endlich vom Hof etwas zu Trinken gebracht wurde. ENDLICH konnten wir unseren Durst stillen!! Allerdings wurde leider darauf vergessen, dass auch Kinder mithalfen und so geschah es, dass auch wir Kinder kräftig den verdünnten Most zum Löschen unseres Durstes tranken. Ich erinnere mich noch, dass das eine oder andere Kind ein wenig zuviel davon erwischte und plötzlich Mühe hatte sich gerade aufrecht zu halten… ;-)
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Dos Mühlbachl
Nördlich wird der Mühlacker von unserem einzigen Buchenwäldchen begrenzt. Hier stehen ausschließlich Buchen und einige sind unglaublich mächtige Exemplare. Unter ihren mächtigen Kronen ist der Erdboden mit einer hohen Schichte Buchenblätter bedeckt, die sich aus den, alljährlich zu Boden fallenden Blättern gebildet hat. Für mich sieht das wie ein riesengroßer Teppich aus. Wenn wir Kinder durch dieses kupferfarbenen Laub laufen, dann raschelt es so schön und wir lassen uns wonnevoll, im ausgelassenen Übermut, in diese herrliche Pracht hineinplumpsen.
Im Süden hingegen zieht das Mühlbachl die natürliche Grenze unseres Mühlackers. Eiskalt fließt das glasklare Bächlein Sommer wie Winter, aus den westlich gelegenen Wäldern und vom Falkenberg herab, fließt südlich an unserem Dorf vorbei – durch unser Moos (unsere Nasswiese) hindurch – danach unseren täglichen Schulweg entlang, durch den Fischteich, den Herr Meier (ein pensionierter Polizist) angelegt hatte, bis in den Schleppeteich hinein. Von dort, so erklärt mir mein großer Bruder, fließt es in die Glan, Zuhause erzähle ich davon, und Mama meint: „Ja und dann von der Glan in die Gurk, von der Gurk in die Drau - und von der Drau in die Donau - und dann, weit weit weg von uns - schließlich ins Schwarze Meer.“
Unser Mühlbachl fließt also ins Schwarze Meer... !!?
Vorstellen kann ich mir das nicht, aber ich fühle meine tiefe Verbundenheit mit unserem Bachl!
Früher, als Mama noch Pelznäherin in Klagenfurt war, und täglich zu Fuß die Strecke hin und zurück über das Kreuzbergl bewältigen musste, liebte sie es, wenn sie abends müde und erhitzt nach Hause kam, sofort zum Mühlbachl zu gehen um dort eine erfrischende „Dusche“ zu nehmen. Später dann, als sie schon mit Vati verheiratet war, behielt sie diese Gewohnheit bei. Ich erinnere mich an einen heißen Tag im Sommer, als wir bereits auf der Heimfahrt waren. Der Tag war lang und die Heuarbeit, in der Sommerhitze, anstrengend gewesen. Wir alle saßen am Traktor, plötzlich blieb Vati stehen, Mama fischte sich ein kleines Päckchen unter dem Sitz hervor und meinte: „Fahrt ihr nur vor, ich komm gleich nach!“ Und schon machte sie sich in Richtung Mühlbachl auf den Weg, um sich diese herrliche Erfrischung zu gönnen.
Ich erinnere mich auch daran, dass im Frühling die leuchtend gelben Dotterblumen in dichten Horsten am feuchten Uferrand unseres Mühlbachls blühten! Wie liebte ich diesen Anblick der sich mir auf meinem Schulweg bot!
Ein andermal gelangte durch ein Hochwasser ein Schwarm Regenbogenforellen, aus dem von Herrn Meier sorgsam gehüteten und gepflegten Fischteich, in unser Mühlbachl. Mein Bruder entdeckte dies sofort und von da an hängte er jeden Morgen (auf dem Weg zur Schule) einen Angelhaken an einen überhängenden Strauch und nahm am Heimweg, meist eine ansehnliche Forelle mit nach Hause. In Mehl gewendet, mit Petersilie und Zitrone mariniert und in guter Butter herausgebraten schmeckten sie uns ganz hervorragend zu Salzkartoffeln, und frischem grünen Salat, aus unserem eigenem Garten...
Herr Meier war fuchsteufelswild und drohte mit einer Anzeige, worauf unsere Fischmahlzeiten künftig leider ausfallen mussten ;-)
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Peter
„Wer ist denn das?“, frage ich leise meine Mama. „Ja dein Bruder!“, antwortet Mama.
Ich betrachte den hochgewachsenen, schwarzhaarigen jungen Mann, der heute in unserer Küche steht und sich laut und raumfüllend mit Mama unterhält. Er ist erheblich älter als ich und mein Bruder Rudi (Michael war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren), und es geht um die Modelleisenbahn, die Peter jetzt nicht mehr braucht und an meinen Bruder verkaufen möchte.
Ich habe mich auf eine der beiden Holzbänke gestellt, die an zwei Seiten unseres großen Küchentisches stehen, die anderen beiden Seiten des quadratischen Tisches werden von der Eckbank eingerahmt, wo man sich bequem an der holzvertäfelten Wand anlehnen kann. Hier oben stehend kann ich Peter viel besser sehen, während die „Verhandlung“ läuft.
Es geht laut und großspurig her. Es wird viel gelacht und ich komme mir vor wie auf dem „Fetzenmarkt in Tarvis“. Den Preis den Peter verlangt kann Rudi nicht erbringen, und so wird überlegt wie denn dieses „Geschäft“ trotzdem zustande kommen könnte. Da biete ich aus einem kindlichen Impuls heraus Rudi einfach mein Erspartes an, aber da schaltet sich Mama wehement ein: „Nein, nein! Dein Gespartes behältst du schön selber!“
Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, wie es dann letztendlich geregelt wurde, jedenfalls hatten wir irgendwann eine tolle Modelleisenbahn (Märklin) im Haus, mit Bahnschranken, Schienen, Zug und Waggons… die besonders in kalt-nassen Jahreszeiten zum Einsatz kam und die wir mit höchster Achtsamkeit behandelten. Das hatten wir versprechen müssen.
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Schneeglöckchen
Frühling ist´s in Winklern. Die Schneefelder beginnen abzutauen und unsere Schi und Winterstiefel sind längst wieder weggeräumt. Wir Dorfkinder laufen mit Gummistiefeln durch die nassen Wiesen, und dabei haben wir etwas entdeckt: Schneeglöckchen! Am Waldrand, (Richtung Falkenberg) leuchtet ein ganzes Feld weißer Schneeglöckchen zu uns herüber!
Schnell laufen wir zu Mama und fragen ob wir einen Strauß klauben dürfen. „Ja“ meint sie, „aber bleibt alle schön zusammen und kommt dann gleich wieder heim!“.
So stapfen wir querfeldein, über vereiste Schneeschollen, durch angetaute Ackererde um mit einem beherzten Sprung über den Bach, endlich am Schneeglöckchenfeld anzukommen. Wir bleiben stehen und schauen. Am lichten Waldrand sehen wir ein einziges Blütenmeer. Tausende und abertausende Schneeglöckchen recken ihre weiß-gelb leuchtenden Glockenköpfchen, inmitten ihrer saftig grünen Stängel und Blätter, aus dem dunklen, matschigen Erdboden hervor. Jetzt zur Zeit der Schneeschmelze, hat der Waldboden sich in ein reich verzweigtes Bachdelta verwandelt in dem unsere Frühlingsboten so wunderbar gedeihen.
Die größeren Kinder leiten uns Kleinere an. Wir folgen ihnen gewissenhaft Schritt für Schritt durch dieses morastige Gebiet. Im Eifer des Klaubens passiert es dann aber dennoch, dass eines der kleineren Kinder im Matsch stecken bleibt. Der Gummistiefel ist festgesaugt und der kleine Knirps steht wackelig auf einem Bein in der Waldlichtung. Sofort ist ein Großer zur Stelle um zu helfen. Eine Minute später ist der Stiefel befreit und ein Kinderfuß samt morastigem Socken wieder im Gummistiefel platziert.
Wir „zerkugeln“ uns vor lauter Lachen.
Jetzt können wir endlich zu klauben beginnen bis schließlich jeder einen kleinen Strauß in der Hand hält, nur so groß wie eine Kinderhand ihn eben fassen kann. Mehr nicht. Wir freuen uns schon darauf ihn der Mama heimbringen zu können, die wird sich sicher freuen!!
Die großen Kinder haben das Kommando: „Seint olle fertig, mittn Klaubn?! Also donn gemma ham!“ Dort frischen wir die Schneeglöcken ein und Mama stellt sie auf den Tisch. Liebevoll betrachtet sie den Strauß. "Schen seint se, wirklich schen! DANKE Kinder!" Und wir Kinder strahlen vor Freude und Glück!
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Der erste Schnee
Schifahren anno dazumal... (Vati ist links zu sehen)
Endlich Weihnachtsferien!!! Mit Schwung stelle ich meine Schultasche, zu der meines Bruders Rudi, ans untere Ende der Eckbank (unserer Küche) und weiß: „Da bleibt sie jetzt für die ganzen Weihnachtsferien“! Keine Hausaufgaben, kein frühes Aufstehen um zur Schule zu gehen, kein gar nichts, einfach nur Ferien!! Das einzige das für unsere Höchststimmung noch fehlt ist der Schnee…
Nach dem „Saufuatan“ (Schweinefüttern) kommt Mama in der Abenddämmerung vom Stall ins Haus und meint,: „Kinder, es riecht schon nach Schnee, jetzt kann es nicht mehr lange dauern!“ Mein Bruder Rudi und auch ich schauen durchs Fenster nach draußen, wir können in diesem Zwielicht kaum mehr etwas erkennen. Vati ist noch im Stall und melkt die Kühe. Wir KInder haben derweil unseren großen geflochtenen Korb, der mit geschlossenem Deckel auch als Sitzhocker dienen kann, durchstöbert und am Küchenboden allerlei Tiere, Zäune und Figuren aufgestellt. Da ruft Mama uns zum Nachtmahl und wir springen schnell auf unsere Plätze, auf den großen Holzbänken. Wie jeden Tag gibt es Sterz und Kaffee (als Frühstück und Abendessen) und jedes Mal freuen wir Kinder uns darauf! Ich mag es wenn es so richtig süß schmeckt, deshalb streiche ich mit dem Löffel den weichen (Mais)Sterz im großen Suppenteller flach aus, gebe eine ordentliche Lage Zucker darüber und ein bisschen zerlassene Butter, die Mama am Holzherd geschmolzen hat, und dann kommt der Kaffee darüber. Hmmmmm! Da fällt kein Wort mehr, da hört man nur noch das Klappern unserer Löffel…
Satt und zufrieden geht es für uns danach wieder ans Spielen. In der Zwischenzeit ist es längst ganz dunkel geworden und nur die einsame Birne unserer Hoflampe leuchtet in der Finsternis. Da hören wir wie Vati vor der Türe seine Zockel gegen die niedrige Steinstufe klopft. „Kinder, es schneibt!“ ruft er, während er, wie jeden Abend, eine volle Milchkanne zum großen Wannebecken in der Lab´n trägt und die Vorrichtung der Wasserkühlung an den Wasserhahn anschließt.
Wir Kinder stürmen hinaus, „Wo, wo?!“ rufen wir aufgeregt durcheinander! Weil es so dunkel ist können wir den Schneefall nur im Gegenlicht des eingeschaltenen Hoflichtes und im Lichtkegel unserer zweiflügeligen Haustüre sehen, deren obere Hälfte verglast ist. Wir laufen ausgelassen durcheinander und fangen die ersten Schneeflocken mit der Zunge auf. Sofort zerschmelzen sie und wir sind außer Rand und Band. Sofort wollen wir uns anziehen und im Neuschnee herumtollen aber Mama meint: „Genug für heute, morgen ist auch noch ein Tag!“ Da ertönt unser lauter Protest „aber bis morgen dauert es ja noch sooo lange!!!“ „Dos werdet´s dawoatn miaß´n!" ("Das werdet ihr aber abwarten müssen“) meint Mama. Und so war es dann auch.
Wir Kinder nehmen uns an diesem Abend vor „ganz schnell zu schlafen“ damit es bis zum nächsten Morgen nicht so lange dauert ;-)
Ob es wirklich geholfen hat weiß ich nicht, jedenfalls haben wir das Frühstück am nächsten Morgen in Rekordzeit verputzt und schon heißt es: Warme Anoraks, Schihose und Schischuhe anziehen (alles ist von uns selbstständig zu erledigen, "das ist die Voraussetzung zum Schifahren" sagt Mama) und dann die Brettln anschnallen und los geht´s, hinaus in die weiße Winterwelt. Wir rutschen mit den Schiern die Schneewächten am Rand der Straße entlang bis wir das Kerschbamleitl erreichen und Vati ist heute nachgekommen um uns zu zeigen wie man Schifährt. Er brettelt auf der einen, flacheren Seite des Hanges eine Spur für uns hinauf und zieht auf der anderen, (für meine Begriffe) steil abfallenden, eine elegante gerade Spur in einer gewagten Schussfahrt in den Tiefschnee. Uns fallen fast die Augen aus dem Kopf. Was Vati alles kann! Und so gut noch dazu! "So!" meint er, "jetzt seids ihr dron. I muass wieda oabeiten geh´n." Wir betteln, "kumm bleib noch do!" Aber es nützt nichts, die Arbeit ruft. "Und nit vagess´n: Imma schen in die Knia geh´n!" meint Vati noch im Weggehen...
Nun bretteln also wir selber voller Eifer den flacheren, von Vati vorgeprettelten Hang hinauf und merken sehr schnell, dass es bei ihm viel einfacher ausgesehen hat, als es das für uns jetzt ist. Wir purzeln drunter und drüber und schauen in kurzer Zeit aus wie Schneemänner. Bald schon erkennen wir, dass wir viel weiter herunten starten müssen als Vati. Und so vergeht der Vormittag wie im Flug und hätte Mama uns nicht gerufen, hätten wir auf das Mittagessen vergessen.
Ich weiß noch wie ich einmal ganz stolz meiner Mama zeigen wollte, wie gut ich schon "wedeln" kann. Sie war mit dem Kinderwagen in dem mein kleiner Bruder Michael lag spazieren gagangen und hat extra einen Abstecher zu uns gemacht. Auf meine Frage, ob sie nicht auch findet, dass ich schon ganz hervorragend wedeln könne, meinte sie "ich hab dich nur gerade fahren gesehen!"
Na ja, ohne Stahlkanten und mit zugegebenermaßen sehr sehr großem Respekt vor Geschwindigkeit, sei mir das nachzusehen, finde ich! ;-)
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